Der unzivilisierte Wilde: Ein Podcast mit Linda Zervakis kommt der Malerikone Monet näher auf die Schliche

Wenn die Sonne ins Wasser fällt.

Wurde Monets berühmtes Gemälde „Impression“, das einer ganzen Kunstepoche den Namen gab, eigentlich beim Sonnenaufgang oder beim Sonnenuntergang gemalt? Um das zu klären, studierten Wissenschaftler das akribisch geführte Schleusenbuch vom Entstehungsort Le Havre mit allen Schließ- und Öffnungszeiten. Ja sie befragten sogar die Astrophysiker, um auf Nummer sicher zu gehen. Das Ergebnis: Monets Meisterwerk entstand 1872 in der Früh – von einem hoch liegenden Hotelfenster aus: innerhalb von nur einer Stunde. So jedenfalls bekundete es Monet, der Popstar der Kunstgeschichte, höchstselbst. Wer in den sechsteiligen Doku-Podcast MONET – Zeiten des Umbruchs mit der ehemaligen Tagesschau-Sprecherin Linda Zervakis eintaucht, erfährt allerdings auch, dass Monet seine Vita gern hier und dort aufpolierte, ihr etwas mehr Dramatik verlieh. → weiterlesen

Ulrikes Draesners Roman „Die Verwandelten“ erzählt über die SS-Lebensborn-Heime, über Nebelkinder und übers Schweigen zum Überleben

Virtuos. Ulrike Draesners Roman ist nominiert für Leipzig. Foto: Butzmann

Ulrike Draesners Buch „Die Verwandelten“ verlangt dem Leser einiges ab. Die Erzählstränge mäandern in wilden Bahnen. Doch sie ziehen immer wieder mit magischer Wortgewalt in die Abgründe der Geschichte zurück. Der für den Belletristik-Preis der Leipziger Buchmesse nominierte Roman beschreibt das Schicksal von Frauen über vier Generationen. Dabei geht es immer wieder um die Frage: Was bedeutet es für ein Kind, wenn es von seiner Mutter weggegeben wird?→ weiterlesen

„Nackt in die DDR“: Aron Boks versucht, seinen Urgroßonkel Willi Sitte zu ergründen

Vielgesichtig. Willi Sitte im Selbstporträt von 1980

Wahrscheinlich hätte ich nicht zu einem Buch über den DDR-Maler Willi Sitte gegriffen. Vor allem seine späten Bilder waren mir oft zu monströs: Grobe Fleischeslust statt spannungsreicher Sinnlichkeit. Doch nun hatte sich Aron Boks, sein Urgroßneffe, ans Werk gemacht, und sich auf die Spurensuche nach seinem 2013 verstorbenen umstrittenen Verwandten begeben. Den 25-Jährigen durfte ich bereits zweimal als begnadeten Moderator beim Poetry Slam im Waschhaus erleben: witzig, selbstironisch, schlagfertig. Also griff ich auch zu seinem dokumentarischen Erstling. Und las mich fest!

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Vom Gehen und Bleiben. Julia Schochs Ode auf „Das Liebespaar des Jahrhunderts“

Julia Schoch schreibt über die Ernüchterung in der Liebe – und lässt sie dennoch hochleben. Foto: Bogenberger Autorenfotos

Auf diesem Seziertisch der Liebe wird das Messer mit höchster Präzision angesetzt. Die Potsdamer Schriftstellerin Julia Schoch schält mit der magischen Kraft schlichter, treffsicherer Worte Paarbeziehungen in ihren immer wiederkehrenden Verhakelungen heraus. Und wie nebenbei fängt sie nuancenreich die Atmosphäre nach dem Mauerfall ein, die genährt ist durch die eigene ostdeutsche Vergangenheit. „Das Liebespaar des Jahrhunderts“ ist ein großes Gemälde, auf das wie bei den Alten Meistern viele Schichten übereinander lagern. Die farbige Fröhlichkeit des Grundtons schlägt dabei immer mehr in eine graugetönte Melancholie um und lässt doch die lichte Grundierung noch erahnen. → weiterlesen